In der privaten Krankenversicherung ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen versichert. Eine Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch eine Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her und in den Rahmen der medizinischen notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder Linderung der Krankheit abzielt. Dazu gehören nicht nur therapeutische Maßnahmen, sondern grundsätzlich auch alle diagnostischen Maßnahmen. Beginn der Heilbehandlung ist schon die erste ärztliche Untersuchung, die erste ärztliche Maßnahme, die auf ein Erkennen des Leidens abzielt, ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen worden ist. Damit fallen Sterilisationen, Schönheitsoperationen, Schwangerschaftsunterbrechung nicht von vorherein unter dem Begriff der Heilbehandlung.
Aber die künstliche Befruchtung ist z. B. dann eine Heilbehandlung, wenn sie durch Unfruchtbarkeit indiziert ist (BGH IV a ZR 78/85).
Die medizinische Notwendigkeit einer solchen Behandlung ist zu bejahen, wenn es nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar ist, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Das ist im Allgemeinen der Fall, wenn eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit in dem beschriebenen Sinne zu heilen oder zu lindern (BGH ebenda).
Bei einer derzeit unheilbaren Krankheit hat der BGH die medizinische Notwendigkeit einer Behandlung bejaht, wenn sie der Verschlimmerung entgegenwirkt. (BGHZ 99, 228 (233f ), BGH IV ZR 133/95).
Eine Behandlungsmethode, der nur ein Versuchscharakter zukommt, ist medizinisch notwendig, wenn sie auf eine schwere, lebensbedrohende oder -zerstörende Krankheit zielt und Linderung verspricht (BGH IV ZR 133/95).
Alternative Behandlungsmethoden sind medizinisch notwendig, wenn sie auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruhen. Allerdings muss das der Versicherungsnehmer beweisen (KG 6 U 261/98).
Ist somit die medizinisch notwendige Heilbehandlung zu bejahen, ist der Versicherer in der Leistungspflicht. Er kann höchstens noch den zu ersetzenden Betrag kürzen, und zwar dann, wenn eine Heilbehandlung das medizinische notwendige Maß übersteigt. Hier kann der Versicherer seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabsetzen (§ 5 Abs. 2 MB/KK 2009). Eine Kürzung ist auch möglich, wenn die Vergütung des Arztes in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen steht. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Versicherer seine Leistungen grundsätzlich völlig verweigern kann, sondern nur insoweit, als gegen das Übermaßverbot verstoßen wurde. Gezahlt werden muss immer ein angemessener Betrag und zwar derjenige, der bei einer notwendigen Behandlungen angefallen wäre. Hier kann der Versicherer auf die üblichen Durchschnittswerte zurückgreifen.
Ein weiteres Problem in der privaten Krankenversicherung: LASIK
Die Erstattung von medizinischen Heilbehandlungen im Rahmen der privaten Krankenversicherung setzt voraus, dass diese medizinisch notwendig waren bzw. es sind. Oftmals will der Versicherer die LASIK nicht bezahlen, weil er meint, sie sei medizinisch nicht notwendig oder eine Brille wäre besser und vorrangig. Nach den Richtlinien der Kommission für Refraktive Chirurgie (KRC) – Stand Mai 2011 – handelt es sich bei der LASIK um ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren, das für eine Myopiekorrektur bis – 8 dpt, Astigmatismuskorrektur bis 5 dpt und Hyperopiekorrektur bis + 3 dpt anwendbar ist. Als Grenzbereich wird die Myopiekorrektur bis – 10 dpt, Astigmatismus bis 6 dpt und die Hyperopiekorrektur bis + 4 dpt angegeben. Darüber hinaus ist nach den Richtlinien der KRC die Nachrangigkeit der LASIK gegenüber herkömmlichen Methoden zur Behandlung von Fehlsichtigkeiten (z.B. Brille) nicht zu entnehmen. Die medizinische Notwendigkeit der LASIK entfällt auch nicht deshalb, weil die Möglichkeit der altersbedingten Verschlechterung der Sehleistung besteht. Die Möglichkeit einer späteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes besteht mit zunehmendem Alter immer, unabhängig davon, welcher Teil des Körpers betroffen ist. Dies ist daher kein Grund, die medizinische Notwendigkeit einer LASIK – Behandlung in Zweifel zu ziehen. Auch, wenn die Behandlung der Fehlsichtigkeit durch die LASIK zugleich auch kosmetische Ziele verfolgt, entfällt dadurch nicht die medizinische Notwendigkeit der Behandlung von Fehlsichtigkeit (LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 02.10.2012 – 6 a S 198/11).
Treu und Glauben in der Krankenvericherung
Jeder Versicherungsnehmer muss es sich, sofern bei ihm eine Ausschlusslage eintritt, gefallen lassen, dass sich der Versicherer an die Vertragsbedingungen, die die Grundlage für die Abgrenzung des Risikos und damit für die Festsetzung der Prämien abgeben, auch zugunsten der Gemeinschaft aller Versicherten hält.
Die Einschränkung eines Leistungsausschlusses nach Treu und Glauben kann daher nur im Einzelfalle und unter solchen Umständen in Betracht kommen, die für den Versicherungsnehmer eine überobligationsmäßige, nach allgemeiner Sittenauffassung nicht mehr zumutbare Erschwerung mit sich bringen, die vertraglichen Voraussetzungen für eine Versicherungsleistung zu erfüllen (OLG Hamburg, Urteil vom 8. 12. 1955 – 6 U 214/55)
Versicherungssausschluss „Psychische Reaktion“ – Fehlverarbeitung eines Unfalls
Die Invaliditätsleistung für psychische Reaktionen in Folge eines Unfalls ist in der Unfallversicherung vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Die Unterscheidung, ob eine organische Verletzung oder eine psychische / psychosomatische Reaktion vorliegt, ist allerdings oft schwierig. Das OLG Oldenburg macht die Entscheidung davon abhängig, ob der erlittene Körperschaden medizinisch nachvollziehbar ist:
„Hat der Sturz von einem Stuhl, bei der sich der Versicherungsnehmer eine Infraktion des Kreuz-/Steißbeinübergangs zuzog, eine somatoforme Schmerzstörung ausgelöst, so ist die Frage, ob diese auf eine organische Gesundheitsstörung – damit versichert – zurückzuführen ist oder eine – unter den Ausschluss fallende – psychische Reaktion darstellt, danach zu differenzieren, ob die psychische Reaktion in Anbetracht der Schwere der erlittenen körperlichen Beeinträchtigung medizinisch nachvollziehbar ist oder nicht. Fehlt es an einer medizinischen Nachvollziehbarkeit, so können die durch einen unfallbedingten Körperschaden mittelbar hervorgerufenen psychischen Beschwerden nur dann mit ihrer psychogenen Natur erklärt werden. Sie sind das Resultat einer psychischen Fehlverarbeitung mit der Folge, dass die Ausschlussklausel Ziffer 5.2.6 AUB 2008 greift….“ ( OLG Oldenburg, Urt. v. 17.11.2010 – 5 U 108/09)
Wahlleistungsvereinbarung und Honorar
Gemäß § 7 BPflV sind bei Einlieferung in die Klinik Wahlleistungen vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren; der Patient ist vor Abschluss der Vereinbarung über die Entgelte der Wahlleistungen zu unterrichten.
Demnach ist der Patient vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung über die “Entgelte” für die Wahlleistungen und nicht nur über ihre “Entgeltlichkeit” zu unterrichten. Erfolgt diese Belehrung / Unterrichtung nicht, kann der Leistungserbringer die von ihm geforderten Beträge auch nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung beanspruchen. Es kann nämlich dahinstehen, ob der Patient dadurch, dass er von liquidationsberechtigten Ärzten behandelt und in einem Zweibettzimmer untergebracht worden ist, einen Vermögensvorteil i.S. des § 812 BGB erlangt hat. Denn insoweit ist ein Bereicherungsanspruch jedenfalls durch § 7 BPflV ausgeschlossen. Es würde dem Schutzzweck dieser Vorschrift zuwiderlaufen, wenn ein Krankenhausträger für Leistungen, die wegen eines Verstoßes gegen § 7 BPflV nicht Gegenstand einer wirksamen Wahlleistungsvereinbarung geworden sind, unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung eine “Vergütung” verlangen könnte (BGH, Urteil vom 19.12.1995 – III ZR 233/94).
Zur Erstattungsfähigkeit nicht vom Arzt erbrachter Leistungen in der PKV
In der privaten Krankheitskostenversicherung (KK-Vers.) bietet der Versicherer (VR) Versicherungsschutz für Krankheiten und erbringt im Versicherungsfall Ersatz für Heilbehandlungen. Manche VR zahlen allerdings im Rahmen der KK-Vers. nicht, wenn üblicherweise von einem Arzt zu erbringende Leistungen tatsächlich z.B. von einer ambulanten Hauskrankenpflege, also nicht von einem Arzt, sondern von einer Krankenschwester erbracht werden. Dem ist das OLG Hamm nun entgegengetreten. Auch typischerweise von einem Arzt zu erbringende, jedoch tatsächlich von einer Krankenschwester erbrachte Leistungen sind im Rahmen der KK-Vers. vom VR zu bezahlen. Versicherungsleistung nur bei tatsächlicher ärztlicher Leistung ist nach Ansicht des Gerichts eine Aushöhlung des Vertragszwecks. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer (VN) bezweckt in erster Linie eine Abdeckung des Kostenrisikos, welches durch die notwendige Behandlung von Krankheiten entsteht. Bei den Kosten nichtärztlicher Leistungen, die der Erhaltung grundlegender vitaler Funktionen des VN dienen, handelt es sich gerade um den Kernbereich des Risikos, dessen Abdeckung typischerweise mittels des KK – Vers. erfolgen soll. Damit unterfallen Kosten der häuslichen Intensivpflege auch nicht etwa zwingend nur der Pflegeversicherung. (OLG Hamm, Beschluss vom 12.10.2011 – I – 20 W 29/11).
Zur privaten Auslands-Krankenversicherung
Viele Menschen unterhalten eine private Auslands-Krankenversicherung. Gemäß § 1 der oft vereinbarten Versicherungsbedingungen ist u. a. weltweiter Versicherungsschutz im Rahmen von Krankenversicherungsleistungen bei akuten, unerwarteten Erkrankungen, bei Verletzungen und Tod versichert.
Schwierig ist – wie meist – die Auslegung der Begriffe. Der Begriff der „akuten“ Erkrankung ist dahin auszulegen, dass durch das Vorliegen einer chronischen Grunderkrankung nicht von vornherein jede weitere Erkrankung, die eine Folge jener Grunderkrankung ist, vom Versicherungsschutz ausgenommen wird; vielmehr erfasst der Versicherungsschutz jede nachteilige Veränderung des Gesundheitszustandes, die sich von einem Tag auf den anderen einstellt. „Unerwartet“ ist ein im Ausland eingetretener Versicherungsfall dann, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person diesen tatsächlich nicht vorhergesehen hat und auch nicht vorhersehen konnte (OLG Köln, Urteil vom 18.05.2012 – 20 U 111/11).
Pflicht zum Tragen einer Schutzbekleidung in der Krankenversicherung
Der Bundesgerichtshof hat es am 17.06.2014 entschieden: Wer als Radfahrer in einen Unfall verwickelt wird, den er an sich nicht verschuldet hat, trägt kein Mitverschulden an seinen Kopfverletzungen, nur weil er keinen Helm trug. Das ist an sich ein Fall aus dem Verkehrsrecht und hat mit dem Versicherungsrecht vordergründig nichts zu tun. Diese Entscheidung kann aber auch Auswirkungen haben auf das Versicherungsrecht, respektive das Krankenversicherungsrecht. Denn vorstellbar ist auch, dass der Krankenversicherer des geschädigten Radfahrers meint, dass der Radfahrer ohne Helm eine Obliegenheitsverletzung im Rahmen des Versicherungsrechts begeht und somit sein Anspruch auf die Versicherungsleistung gekürzt werden darf.
Das Landgericht Heidelberg hatte im März 2014 einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Dort hatte ein Leichtkraftradfahrer mit einem Roller einen Unfall. Er erlitt Verletzungen u. a. an den Extremitäten. Es wurde ihm vorgeworfen, dass er keine Protektorenschutzkleidung getragen habe und dieserhalb hätte er an seinen Verletzungen eine Mitschuld. Das Landgericht Heidelberg hat, ähnlich wie der Bundesgerichtshof in Bezug auf Radfahrer, entschieden, dass es keine, ein Mitverschulden begründende Obliegenheit gibt, Protektorenschutzkleidung zu tragen. Es gibt kein Gesetz, dass diese Kleidung vorschreibe. Demzufolge durfte die Versicherungsleistung für den geschädigten Motorrollerfahrer nicht gekürzt werden (LG Heidelberg, Urteil vom 13.3.2014 – 2 O 203/13).