Abrechnung nach Reparaturkosten trotz wirtschaftlichen Totalschadens
Der Geschädigte kann Ersatz der angefallenen Reparaturkosten verlangen, wenn es ihm entgegen der Einschätzung des vorgerichtlichen Sachverständigen gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben des Sachverständigen entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt (BGH 14.12.2010 – IV ZR 231/09).
Wer sein beschädigtes Kfz repariert hat, und wohl ein Sachverständiger die voraussichtlichen Reparaturkosten auf einen den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30% übersteigenden Betrag geschätzt hat, kann die Reparaturkosten nur ersetzt verlangen, wenn er nachweist, dass die tatsächliche Reparatur, sofern sie fachgerecht und den Vorgaben des Gutachtens entsprechend ausgeführt worden ist, wirtschaftlich nicht unvernünftig war (BGH 08.02.2011 – IV ZR 79/10).
Ein Unfallgeschädigter kannt fiktiv die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiter nutzt und es zu diesem Zweck -falls erforderlich – verkehrssicher (teil-)reparieren lässt.
Vor Ablauf der sechs-Monats-Frist kann der Geschädigte, der sein Fahrzeug tatsächlich repariert oder reparieren lässt, Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, regelmäßig nur ersetzt verlangen, wenn er den konkret angefallenen Reparaturaufwand geltend macht (BGH, 23.11.2010 – VI ZR 35/10).
Der Geschädigte, der nach einem Verkehrsunfall sein fachgerecht vollständig repariertes Fahrzeug nur zwei Monate weiternutzt, ist dann teilweise einem Freund überlässt, der die laufenden Kosten des auf ihn umgemeldeten Fahrzeugs übernimmt, kann den sogenannten Integritätszuschlag auch dann nicht beanspruchen, wenn er seinen Wagen nach einem Jahr wieder zurückerhält und dauerhaft selbst weiternutzt (OLG Düsseldorf, 10.05.2011 – I-1 U 144/10).
“ Unfall im Straßenverkehr „
Ein „Unfall im Straßenverkehr“ liegt auch vor, wenn der Führer eines auf öffentlicher Straße geparkten LKWs beim Ladevorgang ein Blech statt auf die Ladefläche, versehentlich gegen die Seitenwand des Lkws wirft und ein anderes Fahrzeug durch das abprallende Metallteil beschädigt wird (OLG Köln 19.07.2011 – III-1 RVs 138/11).
Vorfinanzierungspflicht des Geschädigten durch Kreditaufnahme und Vollkasko?
Der Geschädigte hat auch dann Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten, wenn er verletzungsbedingt zwar nicht selbst ein Fahrzeug nutzen kann, seine Ehefrau aber sein Fahrzeug mitgenutzt hat und auf eine weitere Nutzung angewiesen ist.
Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen. In trifft auch nicht die Obliegenheit, seine eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, um die Reparaturkosten vorzufinanzieren (OLG Düsseldorf 24.05.2011 – I-1 U 220/10).
Vollständiger Ersatz der Gutachterkosten auch bei teilweisem Eigenverschulden
Auch bei eigener Mithaftung steht dem Unfallgeschädigten ein ungekürzter Anspruch auf Ersatz derjenigen Kosten zu, die durch die Beauftragung eines Sachverständigen mit der Feststellung des Fahrzeugschadens entstanden sind (OLG Frankfurt am Main 05.04.2011 – 22 U 67/09).
Ist der Ersatz des Geschädigten quotenmäßig beschränkt, sind auch die Kosten des von ihm zur Höhe des Fahrzeugsschadens eingeholten Gutachtens nur anteilig zu ersetzen (OLG Düsseldorf 15.3.2011- 1 U 152/10).
Ist der Ersatzanspruch des Geschädigten quotenmäßig beschränkt, sind die Kosten des von ihm zur Höhe des Fahrzeugschadens eingeholten Gutachtens dennoch vom Schädiger voll zu ersetzen (OLG Rostock 18.3.2011 – 5 U 144/10).
Nachweis einer HWS-Verletzung
Bei geringer biomechanischer Belastung (hier: kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von 5 km/h) ist die Wahrscheinlichkeit einer HWS-Verletzung gering. Es müssen dann weitere Indizien hinzutreten, die den Rückschluss auf eine HWS-Distorsionsschädigung zulassen. Das gilt vor allem dann, wenn ein junger Mann betroffen ist und jeglicher Vortrag zu einer besonderen Verletzungsanfälligkeit fehlt.
Vorgelegte ärztliche Atteste sind für den Nachweis einer unfallbedingten Verletzung von untergeordneter Bedeutung. Der Beweiswert ist insbesondere dann in Frage gestellt, wenn zumindest ein Teil der bescheinigten Verletzungen nicht bei dem Unfall entstanden sein kann (OLG Düsseldorf 12.4.2011 -1 U 151/10).
Probleme auf der Autobahn
Wer mit einem abgeschlepten Fahrzeug und eingeschalteter Warnblinkanlage die Autobahn an einer Ausfahrt verlassen will, muss sich so verhalten, dass der Nachfolgende diese Absicht rechtzeitig erkennen kann (OLG Hamm, 05.07.2011 – 6 U 19/11).
Kommt es auf der Autobahn zu einem Auffahrunfall, weil der Vorausfahrende wegen eines Kfz-Defekts plötzlich langsamer wird und die Fahrbahn dennoch nicht durch Fahren auf den Standstreifen räumt, ist eine Aufteilung von 75 zu 25 zu Lasten des Auffahrenden angemessen (OLG Oldenburg, 13.07.2011 – 4 U 16/11).
Freie Werkstatt
Die vom BGH festgelegte Dreijahresgrenze für die Zumutbarkeit einer Verweisung auf eine nicht markengebundene Werkstatt ist überschritten, wenn das Datum der Erstzulassung zum Unfallzeitpunkt mehr als drei Jahre zurückliegt. Das gilt auch bei einer Erstuulassung ohne anschließende Nutzung. Auf die tatsächliche Dauer der Benutzung durch den Geschädigten kommt es in einem solchen Fall selbst bei einem Ersterwerb nicht an (OLG Bremen, 07.02.2011- 3 U 61/10).
Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebungn nach § 249 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensberechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstadt zugrunde legt, die einen von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstadt“ verweisen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebunden Fachwerkstadt entspricht, und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesen eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstadt unzumutbar machen würde (BGH, 22.6.2010 – VI ZR 302/08) .
Linksabbieger bei ungeklärter Ampelschaltung
Wenn auf einer mit Wechsellichtzeichen und grünem Abbiegepfeil versehenen Kreuzung ein Geradeausfahrer und ein Linksabbieger zusammenstoßen, hat der Linksabbieger zu beweisen, dass er den ihm auferlegten besonderen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist. Bleibt die Ampelschaltung bezüglich des Abbiegepfeils ungeklärt, trägt der Linksabbieger 2/3 und der Geradeausfahrer 1/3 des Unfallschadens.